Das Lipödem spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine zunehmend größere Rolle. Einen großen Anteil daran haben sicherlich die sozialen Medien – „outen“ sich doch immer mehr Prominente, die ihre Lipödem-Erkrankung offiziell machen. Sie sprechen dabei auch über den von ihnen eingeschlagenen Therapieweg und geben damit vielen Betroffenen erste Anregungen und Hilfestellung.

Die Lipödem Therapie kann dabei konservativ als auch operativ erfolgen.

Konservative Lipödem Therapie – was ist das?

Bei der konservativen Lipödem Therapie soll durch das Tragen von Kompressionswäsche und regelmäßige Manuelle Lymphdrainage (kurz: MLD) der Schmerz im Unterhaut-Fettgewebe reduziert werden. Es wird vermutet, dass der Schmerz beim Lipödem aus einer leichten Entzündungsreaktion im Unterhaut-Fettgewebe resultiert. Die Anwendung von Kompression kann Entzündungen im Allgemeinen entgegenwirken. Das Tragen von Kompressionswäsche als wesentliche Säule der konservativen Lipödem Therapie kann über diesen Wirkmechanismus den Schmerz im Fettgewebe reduzieren.

Die Manuelle Lymphdrainage ist die zweite wesentliche Säule der konservativen Lipödem-Therapie. Allerdings kommt es bei der Lymphdrainage nicht auf den eigentlichen Zweck einer Lymphdrainage an – dem Abtransport von Flüssigkeit aus der Extremität oder deren „Entstauen“. Vielmehr soll es durch die sanften, ausstreichenden Berührungen des Lymph-Therapeuten zu einer Stimulation des beruhigend wirkenden Nerven Parasympathicus kommen und dadurch der Lipödem-Schmerz reduziert werden.

Daneben ist die richtige Hautpflege wesentlicher Bestandteil der konservativen Lipödem Therapie: Bestimmte Hautpartien können durch das vermehrte Fettgewebe zum Reiben aneinander führen – sehr beliebt ist der Schritt an der Oberschenkel-Innenseite. Die richtige Hautpflege – insbesondere bei warmen Temperaturen – verhindert Irritationen an den betroffenen Hautpartien.

Zu guter Letzt sollte jede Betroffene auf ausreichend Bewegung im Alltag achten, da eine gute Mobilität insgesamt das Lebensgefühl verbessert und damit auch eine Distanz zum empfundenen Schmerz erreicht werden kann. Neben einer ausgewogenen Ernährung hilft sie, Kalorien abzubauen und das Körpergewicht und Körperempfinden zu verbessern.

Operative Lipödem Therapie – oftmals eine dauerhafte Lösung.

Sollte der konservative Therapieweg nicht zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen, besteht immer auch die Möglichkeit eines operativen Eingriffes, um das schmerzhafte Fettgewebe zu entfernen – die sog. Liposuktion (Fettabsaugung). Bei diesem Eingriff wird über kleine Schnitte durch die Haut (ca. 0,5 cm Länge) das vermehrte und schmerzhafte Unterhaut-Fettgewebe mit einer dünnen Saugkanüle abgesaugt. Dieser Eingriff führt in aller Regel zur Beschwerdefreiheit und dadurch zu einer raschen Verbesserung der Lebensqualität. Der Eingriff kann vorzugsweise in örtlicher Betäubung oder auf Wunsch der Patientin auch in Narkose zusammen mit einem Anästhesisten erfolgen. Allerdings ist der Eingriff auch mit Komplikationsmöglichkeiten behaftet, wenngleich diese auch nur sehr selten auftreten.

Vorteil einer operativen Lipödem Therapie mittels Liposuktion gegenüber dem konservativen Therapieweg ist zudem die Verbesserung der Körpersilhouette und damit des äußeren Erscheinungsbildes.
Viele Patientinnen haben einen längeren konservativen Therapieweg hinter sich gebracht, bevor sie sich zu einer operativen Therapie des Lipödems entscheiden.

Aber es gibt auch Patientinnen, die sich primär zu einer operativen Lipödem Therapie entscheiden. Es ist stets eine individuelle Entscheidung der Patientin, welchen Weg sie zunächst einschlagen möchte. Dies hängt oft auch von den aktuellen Lebensumständen und den finanziellen Möglichkeiten ab, da eine konservative Lipödem Therapie in der Regel eine Kassenleistung ist, die Operation aber fast immer von der Betroffenen selbst bezahlt werden muss.

Vor- und Nachteile bei der Lipödem Therapien:

Der Vorteil der konservativen Lipödem Therapie liegt in der Kostenübernahme durch die Krankenkasse und die erhaltene Unversehrtheit des eigenen Körpers. Der Nachteil der konservativen Lipödem Therapie ist, dass sie häufig nicht zur wirklichen Beschwerdefreiheit führt und insbesondere das Tragen der Kompressionswäsche bei warmen Temperaturen unangenehm sein kann. Auch verändert sich das äußere Erscheinungsbild durch die konservative Therapie nicht.

Im Gegensatz dazu kann die operative Lipödem Therapie mitunter rasch und auch dauerhaft zu einer Beschwerdefreiheit führen. Nachteil der Operation ist deren invasiver Charakter mit den – wenn auch seltenen – Komplikationsmöglichkeiten der Fettabsaugung sowie die Tatsache, dass es sich bei dem Eingriff in aller Regel um eine Selbstzahler-Leistung handelt.


Umfassende Informationen über beide Wege der Lipödem Therapie sind essenziell

Es ist absolut sinnvoll, sich als Betroffene ausführlich über beide Möglichkeiten der Lipödem Therapie zu informieren, um eine fundierte und selbstbestimmte Entscheidung für den eigenen Weg treffen zu können.

In meiner Sprechstunde stellen sich viele Patientinnen vor, die zunächst einmal wissen möchten, ob sie überhaupt an einem Lipödem leiden. Im Anschluss an die Diagnosestellung berate ich die Betroffene immer über beide Therapiewege und empfehle eine ausreichende Bedenkzeit.

Viele Patientinnen möchten sich aber auch direkt über den genauen Ablauf einer Operation und die Verhaltensmaßgaben nach dem Eingriff informieren. Dies ist wichtig, um den richtigen Zeitpunkt für einen operativen Eingriff bei der Lipödem Therapie planen zu können.

Gibt es „den“ richtigen Weg bei der Lipödem Therapie?

Nein, „den“ richtigen Weg bei der Therapie des Lipödems gibt es selbstverständlich nicht. Möglicherweise ändert sich dieser Weg auch im Laufe der Zeit und aus einem ursprünglich konservativen Weg wird letztendlich eine operative Behandlung. Viele Patientinnen, die in meine Sprechstunde kommen, haben bereits eine mehrjährige konservative Lipödem Therapie mit Tragen von Kompressionswäsche und manuelle Lymphdrainage hinter sich und sind aufgrund ihres Leidensdruckes nun bereit für eine Fettabsaugung.

Bitte bedenken Sie aber, dass die Fettabsaugung bei der Lipödem Therapie in erster Linie dazu dient, Sie als Betroffene von Ihren Schmerzen zu befreien. Auch die Körpersilhouette verändert sich natürlich durch die Fettabsaugung, aber das Auftreten eines unregelmäßigen Hautbildes ist auch nach einer Liposuktion nicht ausgeschlossen. Ein erfahrender Chirurg wird aber alles dafür tun, dass auch das kosmetische Ergebnis nach einer Liposuktion ansprechend ist.

Häufig gestellte Fragen zur Lipödem Therapie:

Es existiert sowohl eine konservative als auch eine operative Lipödem Therapie. Beide Verfahren haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile und werden in einem ausführlichen Beratungsgespräch mit einem in der Behandlung des Lipödems erfahrenen Arzt gemeinsam besprochen.

Die konservative Lipödem Therapie setzt sich aus 4 Elementen zusammen: 1. Tragen von Kompressionswäsche, 2. Manuelle Lymphdrainage, 3. gute Hautpflege und 4. ausreichende Bewegung und Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten.

Bei der Fettabsaugung (Fachbegriff: Liposuktion) wird über kleine Hautschnitte eine feine Saugkanüle unter die Haut eingeführt und darüber das vermehrte und schmerzhafte Fettgewebe abgesaugt und somit operativ entfernt. Dadurch kann in einem sehr hohen Prozentsatz eine vollkommene und dauerhafte Beschwerdefreiheit erzielt werden.

In einem ausführlichen Beratungsgespräch mit einem in der Therapie des Lipödems erfahrenen Arztes werden mit Ihnen die Vor- und Nachteile beider Therapieverfahren besprochen. Viele Patientinnen beginnen zunächst mit einer konservativen Lipödem Therapie und entscheiden sich zur Operation, falls die konservative Therapie keine Besserung der Beschwerden erbringt. Es gibt aber auch Betroffene, die dauerhaft konservativ behandelt werden und Betroffene, die sich bereits von Anbeginn zu einer Operation entscheiden.

Die Wirksamkeit einer rein konservativen Lipödem-Therapie ohne einen operativen Eingriff mit Ernährungsumstellung, Tragen von Kompressionswäsche und manueller Lymphdrainage sowie ausreichender sportlicher Betätigung kann auf lange Sicht gut sein und zu einer deutlichen Beschwerdebesserung führen. Allerdings möchten viele Patientinnen diesen Weg nicht gehen und die Operation bietet die Aussicht auf eine lebenslange Beschwerdefreiheit, auch wenn diese nicht garantiert und eine Heilung zum momentanen Zeitpunkt der Forschung nicht möglich ist.

Der richtige Zeitpunkt für eine Lipödem-Operation ist immer dann gegeben, wenn durch eine konservative Therapie keine Beschwerdefreiheit erzielt werden kann oder aber der Wunsch der Patientin besteht, diese Beschwerdefreiheit rasch zu erzielen. Ein deutliches Übergewicht kann ein Grund dafür sein, die Operation zunächst zu verschieben. Manchmal ist es aber auch sinnvoll, gerade bei Übergewicht durch eine Absaugung die Lebensqualität der Patientin zu erhöhen und dadurch einer Gewichtsreduktion durch Umstellung der Lebensgewohnheiten (Ernährung, Sport) den richtigen Weg zu ebnen.

Ernährung und Bewegung sind ein basaler Pfeiler der Lipödem-Therapie, egal ob man sich als Patient für den operativen oder den konservativen Therapieweg entscheidet. Sie können auch beim Lipödem nur dann zunehmen, wenn Sie sich falsch ernähren oder zu wenig bewegen oder eine Stoffwechselstörung besteht (z.B. Unterfunktion der Schilddrüse), da der Körper überschüssige Energie stets in Fett umwandelt – er kann das gar nicht anders. Es gibt kein selbstwucherndes Fettgewebe, wie dies dem Lipödem-Fett häufig nachgesagt wird, da dies nach den Gesetzen der Physik (Energieerhaltungssatz) überhaupt nicht möglich ist. Man kann auch beim Lipödem zu- oder abnehmen je nach Ernährung oder Bewegung bzw. Einstellung des Stoffwechsels. Das ist ganz wichtig zu verstehen, denn das bedeutet, dass Sie der Erkrankung nicht hilflos ausgeliefert sind, wie so häufig in den sozialen Medien behauptet. Sollten nach einer Lipödem-Operation Ernährung und Bewegung nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt werden, kann dies schnell zu einer erneuten Gewichtszunahme und damit Neuauftreten der Lipödem-Beschwerden führen.

Eine ganzheitliche Therapieplanung beim Lipödem beginnt zunächst mit der Anamneseerhebung – und hier insbesondere dem Beschwerdebild – sowie der körperlichen Untersuchung der Patientin. Abhängig vom Beschwerdebild ist eine ergänzende Ultraschalluntersuchung der Beine sinnvoll und indiziert. Danach werden Vor- und Nachteile einer konservativen oder operativen Behandlung besprochen und in Abhängigkeit vom Leidensdruck und Therapiewunsch der Patientin ein ganz individuell zugeschnittener Therapieplan erstellt. Wir reservieren für jede Neupatientin für das Erstgespräch ein Zeitfenster von ca. 1 Stunde, auch wenn dies nicht immer notwendig ist.

Die Kosten für eine konservative Lipödem-Behandlung werden in aller Regel immer von den gesetzlichen (nur beim Kassenarzt) und den privaten Krankenkassen übernommen. Anders stellt es sich dar, wenn ein operativer Eingriff (Liposuktion) geplant ist. Hier kann bei der privaten Krankenkasse versucht werden, im Vorfeld über das Einreichen eines Kostenvoranschlags eine Teil- oder vielleicht sogar Komplettfinanzierung zu erreichen. Bei den gesetzlichen Krankenkassen ist dies aktuell nur im Lipödem Stadium III möglich. Möglicherweise ändert sich dies aber in der Zukunft, wenn die Ergebnisse der kürzlich abgeschlossenen LipLeg-Studie (Fettabsaugung beim Lipödem in allen Stadien) ausgewertet und durch den G-BA umgesetzt worden sind.